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Isabelle Dyckerhoff

5. Februar – 4. Juni 2011
Eröffnung 4. Februar 2011, 19 – 21 Uhr
-> Einladungskarte | 255 KB

 
berliner bilder 59, 2010.Öl-Nessel, 110 x 120cm.

FARBRÄUME
Die Leichtigkeit der Farbe

Farbe ist Vielfältigkeit. Sie entsteht mit und im Licht, sie ist veränderlich und beinhaltet Farbklänge, die sich je nach Lichtfall auffalten, verbergen und auf diese Weise eine Opazität entstehen lassen, die uns an Farben so fasziniert.

Um eine Farbe zu bezeichnen benutzen wir Wörter, die Eigenschaften eines Farbtons bestimmen, die Abstufungen des Lichtfalls beschreiben oder die auf sinnliche Erfahrungen mit einer Stofflichkeit verweisen. Ein Blau kann ein Ultramarinblau

oder Azurblau sein, ein Kobaltblau oder ein Berliner Blau – es erzählt durch seine Bezeichnung immer etwas über seine Entstehungsart und über eine Wesenhaftigkeit – wie über Meere und Himmel, flüssige und lichtdurchlässige Stoffe und über die Erfahrbarkeit von Natur. Farben sind daher immer auch Vorstellungsräume – Imaginationsfelder für Erinnerungen an Natur und die Sinnlichkeit von Dingen.

Isabelle Dyckerhoff malt Farb-Räume, die all diese Eigenschaften und Wesensmerkmale von Farbe in sich tragen. Das Erinnerte und Imaginative der Farbe, die darin liegende Zeitlichkeit formt sie in ihrer Malerei aus und stellt diese neben deren Klangreichtum. So entsteht in ihren Bildern eine große Spannbreite von Farbigkeit und Sinnlichkeit. Das Spiel von warmen und kühlen Farbtönen, die haptische Präsenz von aufgetragener oder lasierender Farbe wachsen zu einem vielfältigen Raum für Farbe. In diesem gestisch reduzierten Feld der Malerei, dessen Wesenhaftigkeit durch Offenheit und einem Zulassen entsteht, entwirft die Malerin lyrische Bilder.

Was ist dieses Lyrische? Es ist eine Leichtigkeit, die innerhalb der Berührungsfelder von Form und Farbe entsteht. Die vielen farbigen Schichten, Felder, umrissene Formen klingen im Mit- und Nebeneinander sowie innerhalb ihrer Nachbarschaften und bestimmen sich gegenseitig. Auf diese Weise lassen sie aufeinanderbezogene Dichten und Volumen entstehen, in denen einzelne Farbwerte sich in eine vielfältige, mehrfache Farbigkeit aufzulösen scheinen und – vice versa – Einzeltöne beginnen sich aus dem Ganzen herauszuschälen, sie vibrieren, bewegen und dehnen sich über die Umrisse ihrer Formgebungen und Setzungen hinaus. Das Farbfeld ist somit immer zugleich Hintergrund und Vordergrund für einzelne Farbigkeiten, die in sie hineinlaufen oder aus ihnen hervor klingen. So kann man bei Isabelle Dyckerhoffs Bildern von lyrischen Farbräumen sprechen, da die Farben in der Wahrnehmung des Betrachters unzählige Imaginationsfelder und Erinnerungsräume in ein erzählerisches Verhältnis setzen. Der Raum der Malerei wird so zu einem poetischen Bildraum.

berliner bilder 48, 2009-10. Öl-Nessel, 160 x 150cm.

Der Gestus und die Ausbreitung der Farbfelder – seien sie horizontal gestaffelt, in polderartigen Formen zueinander gerichtet, zerbrechlich lasiert oder als dynamische Gesten geformt – bilden ebenso poetische Momente in den Bildern. Der Betrachter kann diesen unterschiedlichen Bewegungs-Rhythmen eines Gemäldes folgen, ihnen nachspüren und nimmt die Malerei dann als einen mehrdimensionalen umfangenen Raum wahr. Die Farbwirkungen sind bei Isabelle Dyckerhoff immer in ihrer Vielfalt angelegt und geformt. Die Farbe ist Lichtträger und räumliche Ausdehnung, sie ist Material und Sujet. Dies wird erlebbar, wenn man aus der Ferne ein Gemälde betrachtet, dann bergen die Farben eine intensiv verschachtelte Tiefenwirkung – in der nahen Sicht entdeckt man übereinander geschichtete Farbverläufe, in denen die taktile Stofflichkeit der Farben sich zeigt oder auch feine Lasuren, in denen die Leinwand als getöntes Gewebe durchscheint.

Das Zufällige bildet neben dem Lyrischen in Dyckerhoffs Malerei eine weitere wesentliche Ebene. Die Malerin lässt dem Zufälligen Raum. Die Handlungen des Malens sind dabei sehr konzentriert: im Prozess des Malens tariert Isabelle Dyckerhoff Gewichtungen, Spannungen, Widerborstigkeiten oder Harmonien in einem Bildraum aus, so dass das Bild durch eine feinstufige Ausarbeitung langsam seine Form annimmt. Der Moment, in dem die Farben und malerischen Felder zwischen Zufall und dem bewussten Hinführen autark werden, ist der Zeitpunkt, in dem das Bild für sich stehen bleiben kann. Durch diese malerische Haltung Dyckerhoffs ist in jedem Gemälde eine Aura von Zufälligem, Zugelassenem und Bestimmten spürbar, die uns an Naturgeschaffenes erinnert. Die Malerin formt durch ihre unzähligen malerischen Entscheidungen in jedem Gemälde einen einzigartigen, authentischen Raum für Farbe, deren Klänge und Ausbreitungen. Die Formgebung ist dabei ein unterstützendes malerisches Element.

All dies – das Lyrische, das Zugelassene und Vielfältige – erfordert einen offenen Blick und ein Verständnis, das Malerei in ihrem ursprünglichen Sinne eine transferierende Vielfältigkeit ist und sein kann. Malerei ist für Isabelle Dyckerhoff vor allem die intensive Freude an der Sinnlichkeit und Wirkungsweise von Farbe, die als Wertigkeit für sich steht und wirkt. Es ist kaum möglich all die unterschiedlich klingenden, reinen und geschichteten Farben zu benennen, die in einem Bild Dyckerhoffs liegen und sich in ihm entfalten, denn ihre Malerei ist wie Licht beweglich, spektrumsreich und atmosphärisch zugleich.

berliner bilder 22, 2007. Öl-Nessel, 200 x 170cm.

Licht liegt unmittelbar in der Nähe zum Schatten. Auch diese Wesenhaftigkeit von Farbe als lichttransparentes und ephemeres Element bezieht Isabelle Dyckerhoff in ihre Malerei mit ein. Licht und Dunkelheit sind sinnlich malerische Reize, die zwischen einer imaginierten Tiefe und (Ober-)Fläche hin und her fließen. Dunklere Farbigkeiten beinhalten immer auch ihre helleren Nuancen, weil sie in ihrer Abstufung von Zeitlichkeiten sprechen und Erinnerungen an etwas Vorheriges hervorrufen. Isabelle Dyckerhoff schafft von Gemälde zu Gemälde neue Variationen oder Themen, die sich aus der Auseinandersetzung mit einem Bild ergeben haben – so entsteht jene Mannigfaltigkeit an intensiv leuchtenden bis dunkleren Farbräumen und zart lasierenden Flächen und dichten Schichtungen. Die Malerin setzt mit jedem Gemälde einen Anfang, in dem zugleich eine umfassende Vielfältigkeit liegt. Ein Gemälde ist ein Fragment der gesamten Malerei Dyckerhoffs – die Variationsbreite ist das künstlerische Format.

Wenn man sich als Schauende auf die von Dyckerhoff gestalteten Farbräume und Bewegungen in Farbigkeiten einlässt, dann wird Farbe zu einem sinnlichen und gleichermaßen mentalen Material. Da Farbwirkungen sich während des Sehens und im Rhythmus des Betrachtens entfalten, besitzen sie eine intensive Gegenwärtigkeit. Mittels dieser malerisch geschaffenen Gegenwart gelingt es Isabelle Dyckerhoff die Leichtigkeit und jene poetische Stofflichkeit von Farben aufzufalten, die im Raum der Malerei liegen.

Birgit Szepanski
 
  Isabelle Dyckerhoff

Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin und München.
    1959
  • geboren in Büderich

  • 1978 – 1982
  • Studium in Lausanne/Schweiz und München

  • 1982 – 2004
  • journalistische Tätigkeit

  • 1997 – 2007
  • Atelierprojekt, München

  • seit 2006
  • Atelier in Berlin

  • 2006 – 2009
  • Akademie der Bildenden Künste München, Prof. Jerry Zeniuk

  • 2009
  • Atelierförderung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München
 
  Ausstellungen (Auszug)
    2011
  • Farbräume, berlin art scouts, Berlin (E)
  • www.hongkong-artproject.de, div Ausstellungen in Hongkong und China

  • 2010
  • Our House Is Your House, München, Dresden, Prag; Galerie Dolmen, Prag
  • Jahresausstellung Kunstverein Ebersberg (Katalog)
  • Hypovereinsbank Ulm (E)
  • Große Kunstausstellung Kunsthalle Villa Kobe, Halle/Saale (Katalog)
  • Serial Killers, halle50, München
  • Helvetia Wealth Group, Zürich (E)
  • Galerie Patrizia Zewe (mit Hauchun Kwong), München (E)

  • 2009
  • Farbcode München, Kunsthalle whiteBOX, München (Katalog)
  • München X Rheinhessen, Kunstforum Rheinhessen/Essenheimer Kunstverein
  • Unser Haus ist Euer Haus, Geh 8, Dresden
  • Große Kunstausstellung Kunsthalle Villa Kobe, Halle/Saale (Katalog)
  • 0X/01 Frise Kunstkammer, Hamburg

  • 2008
  • Jahresausstellung Kunstverein Ebersberg (Katalog)
  • AK 68,Grosse Kunstausstellung Wasserburg am Inn (Katalog)
  • Schauraum, Kulturpassagen am Ackermannbogen, München

  • 2007
  • Orangerie am Englischen Garten, München (E)
  • Jahresausstellung Kunstverein Ebersberg (Katalog)

  • 2006
  • Helvetia Wealth Group, Zürich (E)
  • Schauraum – Ein Temporär-Projekt, München (E)
  • AK 68, Grosse Kunstausstellung, Wasserburg am Inn (Katalog))

  • 2005
  • Städtische Galerie Traunstein, Jahresausstellung Kunstverein Traunstein
  • sandkasten, temporärer Ausstellungsraum, München (E)
  • „Simultan“– Kunst und Schach, Kunstverein Ebersberg (Katalog)
  • Freimanner Kulturtage, Dachgalerie Domagkateliers
  • Process Consulting Köln (E)
  • „All about...Domagk“, Kunsthalle whiteBox München

  • 2004
  • Jahresausstellung Kunstverein Ebersberg (Katalog)
  • Deutsches Herzzentrum München (E)
  • Room for Living, Laren, Holland
 
Horizonte 9, 2010. Öl-Leinwand, 200 x 230cm.
 
  Koexistenz - Die Bildwelten von Isabelle Dyckerhoff

Wann ist ein Bild ein gutes Bild – diese Frage wird nie erschöpfend beantwortet sein, auch wenn alle objektiven Kriterien erfüllt sind. Auch für einen bildenden Künstler gehört es zu den schwierigsten Dingen, die eigenen Werke nach deren Fertigstellung zu bewerten. So ist es ganz natürlich, wenn der kreative Prozess als eine Art Schwebezustand beschrieben wird, der das Malen zwischen kognitiver Entscheidung und intuitivem Handeln kreisen lässt. Immer wieder schildern Künstler eine Art drängende Energie, die sie durch ihre Arbeit leitet. Sicherheit und Routine beim Vorgehen ist die eine Option, Neugierde und Wagnis die andere. So ist die abstrakt-expressionistische Malerei stilistisch mehr von Strömungen als von Standpunkten geprägt. In der heutigen Zeit, die der realistischen Darstellung in Gemälden und Fotografien huldigt, vertritt der abstrakte Expressionismus als Gegenpol die Malerei per se: Deren Ziel ist die Intensität des Zusammenwirkens von Bildkomposition und Farbe.

Isabelle Dyckerhoff äußert sich auf diesem Terrain durch unterschiedliche technische und stilistische Ausdrucksmöglichkeiten. In ihrer entspannten Art lässt sie etwas geschehen, ohne manipulieren zu müssen. Ihr Schaffen ist gefächert, ohne das eigene Profil zu verleugnen. Dieses Zulassen von Prozessen, die nicht kognitiv gesteuert werden, macht die parallele Vielfalt in ihrem Werk aus. Sicher ist auch ihr künstlerischer Werdegang gezeichnet von der qualitativen Steigerung ihrer Bildwelt. Doch dieser Weg verläuft nicht phasenweise, sondern in stilistischen Handlungssträngen, die sich Bild für Bild abwechseln und überschneiden. So ist es möglich, dass die Malerin ein aus kräftigen Farbschichten und -zonen äußerst verdichtetes Gemälde aufbaut, um gleich darauf eine zarte Pastellwelt andeutungsweise über die große Leinwand zu hauchen. Fast scheint es, als bräuchte sie diese Gegensätze, um unter Spannung zu bleiben.

Anders als die historischen Positionen des Abstrakten Expressionismus, welche die Auflösung des Dinglichen suchten und fanden, scheint sich ihre Arbeit mehr dem Körperhaften zuzuwenden. So kann man bei Isabelle Dyckerhoffs Bildern immer auch an Landschaften denken, die sich aus dem Miteinander der gesetzten Farbpolster herauskristallisieren. Häufig ist es eine komprimierte Mikro-Landschaft, manche Arbeiten gleichen sogar einer besonders bunten Landkarte. Es gibt Gemälde, die an die unterschiedlichen Töne und Schraffuren einer Natursteinmauer im Sonnenlicht erinnern. Andere ermöglichen den imaginären Blick in einen blühenden Garten, wieder andere scheinen die Sicht zu öffnen auf eine weite Himmel- und Wolkenlandschaft. So ist immer ein Bezug zur Wirklichkeit möglich.

Auch der große dänische Künstler und Naturwissenschaftler Per Kirkeby, der als ein Vorbild unserer Malerin gelten darf, lenkt in seinen abstrakten Farblandschaften die Phantasie auf eine natürliche Binnenstruktur wie Gesteinsformationen.

berliner bilder 47, 2009-10. Öl-Leinwand, 160 x 150cm.

Isabelle Dyckerhoff arbeitet teilweise mit dem Spachtel, kratzt Schraffuren und setzt Ballungszonen, so dass die Materialität ihrer Ölgemälde betont wird. Ihre Handschrift ist gestisch, wenn sie die amorphen Farb-Zonen aufträgt – wobei sie großen Wert auf die differenzierte Behandlung einzelner Stellen legt. Beinahe plastisch überlagern sich die Farbstrukturen. So öffnet sich im Gesamtgefüge des Bildes Räumlichkeit und Tiefe. Die Vielschichtigkeit und Dichte dieser Ölgemälde ist so ungeheuer reich an Erzählstoff, und das Auge wird nicht müde, in den Bildern umherzuwandern. Das mag auch an ihrer Offenheit liegen, denn sie sind frei von der Verpflichtung, etwas darzustellen oder auf etwas zu verweisen.

In neueren Arbeiten wird eine Tendenz zur Reduktion und zur Figuration deutlich. So sind es einmal horizontal dominierte Gemälde (Berliner Bilder Nr. 42), die sich als Stadtlandschaften interpretieren lassen. Sie konzentrieren sich auf die Andeutung von Baukörpern und urbanen Zonen, Asphaltgrau oder Braun (der freigelassenen Leinwand) werden zu wichtigen Stimmungsfaktoren.
Eine andere Gruppe neuer Gemälde lebt ganz von der Kunst des Weglassens: hier drückt sich Dyckerhoff in einer noch größeren Leichtigkeit aus und setzt nur farbige Gesten. Über die klar grundierte Leinwand lässt sie Kaskaden lockerer Farbpolster fließen, die sich zu einem großen Bogen formieren. Diese neue Richtung war vorbereitet durch eine Serie kleinerer Gemälde, die viel von der Leinwand freilassen und ihre szenischen Andeutungen so leicht und heiter auf die Fläche setzten, dass man meint, vor den Abkömmlingen der Tunisbilder von August Macke zu stehen (siehe „Isabelle Dyckerhoff, Malerei 3“, Seite 6).

Die Kolorierung eines Bildes und die Heftigkeit oder Zurückhaltung des Malauftrags können Assoziationen oder auch Empfindungen transportieren. Isabelle Dyckerhoff hat ein untrügliches Gespür für Farbkombinationen, ihre Farbpalette ist sehr üppig. Besonders kräftige und leuchtende Farben setzt sie in der Bildstruktur gegeneinander, als müssten diese wie die beiden Pole einer Batterie den Strom erzeugen. Doch die Koloristin sorgt auch für Erdung: Die vitalen Kompositionen werden von Schlamm-, Grau- und Brauntönen beruhigt. Fokussiert man die einzelnen Töne, so ist zu bemerken, dass wenig Grundfarben verwendet werden. Fast jede der Farben ist eine besondere Mischung, der man ansieht, dass sie nicht so nebenbei entstand. So ergeben sich ganz individuelle Farbwelten, die manchmal so kontrastreich und fast aggressiv Spannung erzeugen, bei anderen Bildern wider ganz harmonisch wie eine zarte Melodie die Fläche bespielen.
Und so sind es die Gegensätze in diesem Werk, die faszinieren: Wenn auf ein kraftvolles, gestisch durchstrukturiertes Bild ein wandhohes Gemälde in zartestem Pastell folgt, dessen Farben nur mit der Puderquaste auf den Malgrund getufft zu sein scheinen – und der Betrachter sich von zwei völlig verschiedenen Bildwelten angezogen fühlt.

Dr. Barbara Rollmann-Borretty

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